Das Hörspiel „Vor dem Gesetz“ basiert auf dem gleichnamigen Text von Franz Kafka. Dieser Text wird heute Parabel genannt, Kafka selbst nannte sie die Torhüterlegende. Die Parabel ist eingebettet in den Roman der Prozess.
Das besondere an der Parabel ist aber nicht nur das, sondern vor allem, dass Kafka 1915 nur sie, nicht aber den Rest vom Prozess veröffentlichte, nachdem er aufgegeben hatte am Prozess zu beenden. Die Parabel, im Bezug auf den Prozess ist eine Geschichte in der Geschichte. Sie ist im vorletzten Kapitels im Prozess, dort wird sie dem Protagonisten erzählt, um ihm metaphorisch seine eigene ausweglose Lage zu verdeutlichen. Sie ist eine Metaebene des gesamten Romans. Kafka vermerkte in einem Tagebucheintrag, dass er Zufriedenheits- und Glücksgefühle empfunden hat als er die Parabel las. Es ist ihm also gelungen vollkommen zum Ausdruck zu bringen, was er wollte. Kafka gelang es aber trotz einiger Anläufe nicht den Prozess zu vollenden. Das Werk wurde von Kafkas Freund Max Brod posthum herausgegeben.
Der Prozess gilt heute als Kafkas Hauptwerk. Geschildert wird der Versuch eines Mannes, ein völlig rätselhaftes Ereignis, die eigene Verhaftung, zu bewältigen und aufzuklären. Doch Kafka gibt darüber niemals mehr preis als das, was auch der Angeklagte erfährt. Dadurch wird der Leser in dessen Perspektive hineingenötigt, es entsteht eine art Sogwirkung, ähnlich einem Kriminalroman: Auch der Leser des Prozess fiebert einer Erklärung, einer Auflösung entgegen. Dieser Effekt wird noch dadurch verstärkt, dass die Grenzen des Verstehens selbst wiederum zum expliziten Thema des Romans werden. Im Kapitel ›Im Dom‹ wird vorgeführt, wie ein scheinbar einfacher Text — eben die Parabel Vor dem Gesetz — bei genauer Betrachtung in nicht auslotbare Abgründe führt.
Mein Hörspiel behandelt vor allem grosse Teile des Domkapitels, bis auf eine kurze Einleitung und einen kurzen Epilog, welche dem Beginn des ersten und zweiten bzw. der Epilog dem letzten Kapitels entnommen ist. Es wurden weder
in den Erzähl noch in den Dialogpassagen Änderungen am Text vorgenommen. Ein unlösbares Rätsel wird in der Parabel gestellt, diese ist eingebettet im Domkapitel, das Domkapitel ist eingebettet im Prozess. Da die einzelnen Kapitel posthum in Reihenfolge gebracht wurden, kann man heute garnicht mehr sagen wo in den Roman das Domkapitel eigentlich hingehört. Weiter hat Kafka einzig und allein die Parabel als vollendetes Werk gesehen und hat den Prozess verworfen. Mir war dennoch wichtig, im Hörspiel eine Geschichte zu erzählen, die den Zuhörer zur Parabel führt und ihm Hilft zum kryptischen Kern vorzudringen ohne aber die Geschichte des gesamten Prozess zu brauchen.
Die Arbeit am Text und auch am gesamten Hörspiel war aus jetziger Sicht betrachtet eine ewige Reduktion auf 21 Minuten.
Ein Stück über Verschachtelung und Vielschichtigkeit. Absurd, kafkaeske und sinnlich.
Headphones empfohlen.
Masterdiplom 2019
Aufnahmen in den Studios der ZHdK, in der Wasserkirche und im Grossmünster.
Sprecher: Daniel Hölzinger
Hörspielfassung, Regie, Musik & Produktion: Daniel Mistric
Mentor: Till Löffler
Vor dem Gesetz ist das zweite Literatur Vertonung welche ich mit dem Sprecher Daniel Hölzinger aufgenommen habe. Der Vorgänger nach Gottfried Benn - Morgue